Freitag, 4. April 2014

Gelangweilte Ehefrauen... und ihre Kinder

In einem Anfall von bedingungsloser Hingabe an den Augenblick (den Augenblick, als ich mich damit im Spiegel sah), habe ich mir einen roten Seidenkaftan gekauft, so sehr 1001-Nacht, dass ein starkes Verlangen nach Glamour vonnöten sein wird, um den Mut aufzubringen, ihn jemals anzuziehen.
Das war ein Expat-Hausfrauen-Moment wie aus dem Klischeelehrbuch: Geht vormittags los, um Zwiebeln zu kaufen, und kommt mit einem Abendkleid zurück. 
Wie ich auf dieses Thema komme? Eine Leserin meines Romans bemerkte kritisch, er würde nur von gelangweilten Ehefrauen handeln. Ich stimme zwar nicht zu, die anfangs gelangweilten Damen lassen es schließlich ordentlich krachen und der Arabische Frühling trägt noch sein Übriges bei.
Aber sei’s drum. Vielleicht war es an der Zeit, auch deren Geschichten zu erzählen, auch den Diplo-Hausfrauen eine Stimme zu geben. (Und, by the way, was ist Betty Draper anders als eine gelangweilte Hausfrau? Und trotzdem sieht man ihr gerne zu.) 
Ich will mich nicht mit Betty Draper vergleichen, wohl aber das Expat-Ehefrauenleben mit dem 50er-Jahre-Ehefrauenleben. Aber im positiven Sinne.
Wie lange habe ich mich innerlich gegen diese besondere Art des Lebens, in das ich aufgrund von Heirat hineingeraten bin, gesträubt. Weil mein Kopf voller Vorurteile war, voller Urteile anderer über mein Leben. Urteile, die hauptsächlich auf Neid basieren.

Ja, ich habe viel Zeit bei Coffee-Mornings verbracht, bei denen die Gastgeberinnen sich enorme Mühe gegeben hatten, und habe staunend den Flachsinn der Gesprächsbeiträge über mich ergehen lassen – und es genossen, dass ich trotz meiner spöttelnden Haltung dazugehörte. 
(Danke an all die lieben Bekannten und Freundinnen, die mich die Jahre hindurch eingeladen haben! Ich weiß es zu schätzen! Bitte weiterhin einladen!)
Aber mal abgesehen davon, dass Hausfrauen und Mütter durchaus einiges zu tun haben und eine Menge Verantwortung tragen (das muss ich niemandem weiter erläutern, oder?) – ist es nicht schön, auch Zeit übrig zu haben, die man einfach so verschwenden kann? War das früher nicht mal ein erstrebenswerter Zustand?
(Früher, bevor das Nichtstun ein so schlechtes Image bekam.) 
Als ich vor Jahren einer Freundin in Deutschland erzählte, dass wir nach den Sommerferien, wenn die (kleinen) Kinder wieder in Ankara in der Schule untergebracht waren, erst mal im Kreise der Vertrauten eine Flasche Schampus am Pool köpften, um auf unsere wiedererlangte Vormittagsfreiheit anzustoßen, bemerkte sie bekümmert: „So viel Spaß habe ich nie!“
Soll ich mich deswegen schämen?

Aber um wieder zur Langeweile zurück zu kommen. Ja, die gibt es. Sie kann Einsamkeit bedeuten oder mangelndes Amüsement, weil man sich in einer fremden Sprache so verloren fühlt, lange Zeit nur auf den Ehemann fixiert ist und Freunde fürs Leben eben nicht so schnell ins Haus flattern wie Einladungen zu Empfängen.  Sie kann geistige Unterforderung bedeuten, wie jede Mutter mit kleinen Kindern oder jede/r mit einem stumpfsinnigen Job sie kennt. Nicht jeder findet Sinn in dem, was er tut.
Langeweile kann sich zu einem wahren Monster auswachsen. 
Und jeder von uns hat solche Momente im Leben, wenn nicht hinter, dann sicherlich noch vor sich. Das ist keine Exklusivität des Diplomatenlebens.
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Aber weil so viel von Kindern die Rede war, will ich heute auch noch von ihnen erzählen. 
Das war der Wunsch eines Lesers aus A.D., und schließlich ist ihr Leben genauso langweilig, abgehoben, ungewöhnlich, abenteuerlich und schwierig wie das ihrer Diplomatenmütter (hach, wie schick das klingt!)

Der Schulalltag beginnt mit morgendlicher Hetze, nichts Ungewöhnliches also. Wenn ich die Kleine frage, wie lange sie nun schon die selben Socken trägt, antwortet sie altklug: “Woher soll ich das wissen? Sich das zu merken, nimmt zu viel Platz weg in meinem Gehirn. Den brauch ich für wichtigere Sachen.“ 
9-Jährige scheinen intuitiv Weisheiten zu kennen, die man sich mit 39 erst wieder aneignen muss: Den Kopf freizuhalten für das Wesentliche, zum Beispiel.
Und der Schulalltag endet mit hastig abends hingeschmierter Hausaufgabe, weil man den späten Nachmittag mit Lesen, Spielen und der zeitraubenden Zuwendung an verschiedene Erscheinungsformen der Unterhaltungselektronik zugebracht hat.

Bleibt also das Wochenende: 
Einladung zum Kindergeburtstag bei einer marokkanischen Freundin. 
Als wir mit 15 Minuten Verspätung erscheinen, ist noch kein anderer Gast zu sehen. Die Tochter öffnet die Tür, ihre Mutter sei noch unterwegs, um Besorgungen zu machen. Anwesend sind bereits: die Haushälterin. Die Männer, die die riesige Hüpfburg auf einer Wiese hinter dem Haus aufbauen, der DJ, der später alle mit lautem, Herzen-zum-Stolpern-bringendem Bum-Bum quälen wird, und der Kameramann, der sich sofort in Stellung bringt, als er uns sieht. Schließlich kommt auch A. mit Tüten voller Chips und Saft. 
Kamera an, Strahlegesicht an. Küsschen rechts, Küsschen links, ein entzücktes Winken und Rufen von meiner Seite Richtung Kamera wird erwartet, dann darf ich gehen. 
Später erfahre ich, dass der DJ wohl seines Amtes walten durfte, nicht aber die Männer mit der Hüpfburg. Auf der Küstenstraße unterhalb der Wiese sollte im Laufe des Nachmittages der König vorbeifahren, der Anblick von hoch aufgeblasenem Plastik mit kreischenden Kindern obenauf war wohl eine Zumutung oder eine Sicherheitsbedrohung, vielleicht auch beides; ich weiß es nicht.

Nächstes Wochenende wieder Kindergeburtstag, bei einer deutsch-marokkanischen Familie. Alles wesentlich charmanter: weniger aufgedreht, in einem bezahlbaren Preisrahmen, mit selbst gebackenem Kuchen und nur leiser Bum-Bum-Musik. Aber, die Gastgeberin deutet bekümmert auf die Baustelle nebenan, mit beständigem Motorsägenlärm. 
Auf der Suche nach Abhilfe fällt mir die magische Wirkung des königlichen Namens von neulich ein. Einige entfernte weibliche Verwandte des Königs besuchen die Schule unserer Kinder, der Titel „Lalla“, Prinzessin, ist Teil ihres Vornamens.
„Du, wir haben doch die Lallas an der Schule. Kannst du dem Bauarbeiter nicht sagen, dass sie auch noch erscheinen werden und er mit dem Krach aufhören soll?“
„Ah, hahaha, das ist genial! Ich werde ihm sagen, dass die Töchter von Moulay  Soundso – die Frauen zählen ja nicht –; ich sag ihm, dass die Töchter vom Prinzen kommen werden!“ 
Die Hausdame verschwindet. Drüben wird noch einige Minuten geflext, dann sucht der Arbeiter von seinem Gerüst aus unsere Aufmerksamkeit, verbeugt sich tief mit der Hand auf dem Herzen, macht eine abwehrende Bewegung, wir nicken huldvoll. 
Und dann ist Ruhe. 



5 Kommentare:

  1. Gelangweilte Ehefrauen...ich weiß nicht ob ich es Langweile nennen würde...in meinem Fall war es mehr Einsamkeit als alles andere. Mir war eigentlich nie langweilig! Ich habe viele Menschen kennengelernt, ich habe gearbeitet und ich war überall "Shoppen" ...ich meine aber nicht "früh choppen" (schreibt man das überhaupt so?) wie ich es in Bayern gelernt haben ;)
    Ob das Leben ist das was ich mir wünschte? Weiß ich ehrlich gesagt nicht wirklich... Ich finde Marokko oder besser gesagt Rabat in Ordnung, ich habe schlimmeres gesehen.... Thema Verkehr werde ich nicht diskutieren da rege ich tierisch auf!! Ich kann mir ganz genau vorstellen wie die Mädels sich in Spanien gefreut haben!!
    Ich werde dich aber sehr vermissen und ich denke du wirst mich auch vermissen :-))
    Deine charmante Gastgeberin aus Rabat ;-)

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    1. Natürlich werde ich dich vermissen, Miri, die marokkanische Vorzeigedeutsche, mit mehr Ordnungsliebe, Pünktlichkeit und rechtschaffener Empörung bei Regelverletzungen, als ich es je aufbringen könnte!

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  2. Kleine Richtigstellung zu deinen Blogs: nicht d i e Welt ist ein Dorf, e u r e langweilige Welt ist ein Dorf. "Diplomatenmütter, Diplomatenleben usw." Meist ist es ja so, dass sich die Ehefrauen der Botschaftsschreiberlinge und Botschaftshausmeister mehr als Diplomatinnen fühlen als zB. die Gattin des Botschafters. Wie sieht denn das bei Dir aus.....?

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    1. Ich fühle mich in allererster Linie als Schreibende; und natürlich schreibe ich über meine Welt, das ist doch mein Privileg, oder nicht? Eine ausführlichere Antwort gibt es weiter unten.

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  3. Hallo Anonym, ich hätte ja schon gerne einen Namen, um zu wissen, wem ich da schreibe. Kennst du mich, die Diplomaten-, die Expatwelt? Was sind denn Botschaftsschreiberlinge?
    Ich spiele oft mit den Begriffen, vor allem mit der "Diplomatengattin". Das ist eine so herrlich anachronistische Bezeichnung, ein Bild, das viele Assoziationen (und auch Provokationen!) hervorruft.
    Mein Leben ist deutlich weniger glamourös, als die meisten Leute es sich vorstellen, vor allem nicht in Ländern wie Eritrea oder Libyen. Es ist sogar oft viel entbehrungsreicher als in Deutschland, weil man mitunter tagelang ohne Strom oder fließendes Wasser auskommen muss, sich dafür aber Malaria oder bizarre Durchfallerkrankungen einfängt.-
    Habe ich je den Eindruck erweckt, ich oder mein Mann hätten eine bedeutende gesellschaftliche Position inne? Ich schreibe doch eher über die komisch-tristen Aspekte des Expat-, nicht explizit des Diplomatenlebens. Oder meinst du das "Diplomatenmütter? Hach, wie schick das klingt"? Das war durchaus ironisch gemeint. Keine von uns würde sich je so bezeichnen, nicht mal in Gedanken!

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