Es tut gut, von den Händlern
auf dem Wochenmarkt routiniert „Bellezza“ gerufen zu werden (wie ALLE anderen
Frauen auch, aber das klammere ich schön aus!), denn als ich einen Pulli
anprobiere und in den Spiegel sehe, erblicke ich im fahlen Licht der
Herbstmorgensonne ein verknittertes Gesicht, durch das sich ein großer Strich
zieht, von der Nase bis zum Kinn, landläufig als Falte bezeichnet.
Ich erschauere.
Irgendwann in den letzten Wochen muss ich gealtert sein. Oder die Aus-leuchtung
in Marokko war vorteilhafter.
Pfui kalte Sonne, pfui europäisches Herbstlicht!
Siamo arrivati a Roma!
Es ist eine schöne Stadt, an
(fast) allen Ecken, imposant und prächtig. Und sehr katholisch. Eine fein
ausgeschmückte Kirche nach der anderen. Hier Caravaggio, dort 1000 Jahre alte
Fresken, das Blau immer noch so kräftig wie anno dazumal, weil die Farbe aus
zerstoßenem Lapislazuli gewonnen wurde. Von den Schätzen des Petersdom ganz zu
schweigen. Allerdings wird die Kunstfreude dort stark getrübt durch die schiere
Masse der anderen Kunstfreunde: ihre Körper, Stimmen, Gerüche lenken mich so
stark ab, dass ich nur wenig von der Schönheit der Kirche aufnehmen kann.
Und
das ist wirklich das Problem von Rom: überall, wo es schön ist, sind zu viele Menschen. Und dort, wo es nicht schön ist, sind zu viele Autos.
In Libyen musste man den Müll
ignorieren, um glücklich zu werden, hier den Verkehr. Also fahre ich wie eine
Libyerin, immer auf der Standspur am Stau vorbei – aber bitte nicht meinem Mann
sagen; wenn er das macht, ist das
natürlich total daneben.
Wie viele Länder des Südens hat
auch Italien seine eigenen ungeschriebenen Gesetze. Man kann sich
vorsichtshalber überall deutsch verhalten, oder man probiert aus, was (de facto)
erlaubt ist, indem man sich ein bisschen aus dem Fenster lehnt. Kann auch mal
schiefgehen, macht aber Spass. ´
Durch die engen Gassen von
Amalfis Innenstadt fahren? Geht; der Verkehrspolizist verzieht keine Miene. In
das beschränkt befahrbare historische Herz von Rom? Geht auch, weil
CD-Kennzeichen.
Als ich jedoch neulich auf den
Stellplätzen einer diskret versteckten Polizeiwache parkte (halb unwissentlich,
weil schlecht beschildert – und wen kümmert ein Parkverbotszeichen, wenn
trotzdem überall Autos in zivil stehen?), wurden mir auf raffiniert-italienische
Art meine Grenzen aufgezeigt: von der Via del Corso zurückkommend, stellte ich
fest, dass ich zugeparkt und der Fahrer des Privatwagens der „forze polizia“
nirgendwo ausfindig zu machen war….
Der Verkehrspolizist wusste von nichts, sah
keinen Handlungsbedarf, kannte auch keine Polizeiwache in der Nähe(!). Minutenlanges
Hupen und Nachfragen in den Cafés am Platz brachten kein Ergebnis. Als ich mich
schließlich über den Bürgersteig und durch die Kolonnaden hindurch retten
wollte, stellte sich mir der aufgebrachte Polizist entgegen:
Papiere etc; Sie dürfen doch
nicht auf dem Gehweg fahren, Signora!
Aber ich bin zugeparkt worden,
das haben Sie doch mitbekommen. Wie lange hätte ich noch warten sollen?
Sie dürfen keinesfalls auf dem
Gehweg fahren, Signora!
Aber ich bin zugeparkt worden,
was hätte ich denn tun sollen?
Sie dürfen keinesfalls auf dem marciapiede….
Am Ende ließ mich der
vermeintlich Ahnungslose mit folgenden Worten ziehen: „Parken Sie nie wieder
auf einem parcheggio der Polizei!“
Versprochen, mach ich nie wieder, sofern ich
ihn als solches erkenne! (Ich werde mich statt-dessen an die Taxistände halten, obwohl mein Mann behauptet, dort nicht ohne aufgeschlitzte Reifen davonzukommen.)
Und sonst:
Die Jüngste will keine schönen Gebäude sehen, sondern enge Gassen, Bettler und dunkelhäutige Händler; sie trägt bei ihrem ersten Besuch auf der Piazza Navona stur ihre geblümte Jellabah. Die Älteste wundert sich, dass eine Demonstration in Italien keine Sache ist, vor der irgend-jemand Angst hat, weder die Passanten noch die Regierung. Mein Mann vermisst das französische Brot und ich meine Freundinnen.
Die Fahrweise der italienischen Vespa- und Motorradfahrer lässt darauf schließen, dass sie die gleiche Todessehnsucht verspüren wie die Moto-Fahrer in Marrakesch. Dort mag übertriebenes Vertrauen in Allah die Ursache sein, aber hier? Die Sucht nach dem täglichen Adrenalinkick?
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Ich weiß nicht, ob
ich den Blog weiterführen werde, ob das Leben in Italien so viel zum Schreiben
hergibt. Obwohl es manchmal chaotisch ist und man
ständig aufpassen muss, nicht übers Ohr gehauen zu werden (Kellner!
Wechselgeld!), zeigen meine Alltagserfahrungen, dass eben vieles klappt und nur
manches nicht – anders als in Arabien, wo man Geduld und Genüg-samkeit lernen
musste und sich dann über die Maßen freute, wenn Erwartungen tatsächlich
erfüllt wurden.
Außerdem arbeite ich an einem
neuen Romanprojekt. Vielleicht stelle ich Auszüge davon in den Blog?
On verra.
A la prochaine.
Ciao.
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenHabe den Beitrag mit Lust und ohne Langeweile zu verspüren gelesen. Hoffe doch, dass der /das Blog weitergeführt wird.
AntwortenLöschenMit besten Grüßen, à la prochaine, ciao...
Walter Schrittwieser
..das hoffe ich auch .. mal etwas anderes als was in den Nachrichten und Reiseberichten erwähnt wird
Löschenja.. das hoffe ich auch .. ich hab gerade über die Brigitte den Link hier her bekommen .. alles Gute Ihnen und der Familie .. eine besinnliche Vorweihnachtszeit ..lg Andrea
AntwortenLöschenDanke Andrea, danke Walter, wir werden sehen. Ich habe einen neuen Roman angefangen und das Leben in Rom ist voller (schöner) Ablenkungen und (grässlichen) Zeitdiebe; ich schaffe es kaum, mich zu konzentrieren..... Aber vielleicht lasse ich mir noch etwas einfallen ;-)
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